Philipp, lebt mit Tetraplegie
Philipp Kutter, Nationalrat der Mitte aus dem Kanton Zürich lebt seit einem Skiunfall mit einer Behinderung. Zum Zeitpunkt des Unfalls sass er bereits seit knapp fünf Jahren im Parlament. Diese Erfahrung will er nutzen, um sich für Menschen mit Behinderungen politisch einzusetzen.
Philipp Kutter, Nationalrat der Mitte aus dem Kanton Zürich lebt seit einem Skiunfall mit einer Behinderung. Zum Zeitpunkt des Unfalls sass er bereits seit knapp fünf Jahren im Parlament. Diese Erfahrung will er nutzen, um sich für Menschen mit Behinderungen politisch einzusetzen.
Autorin: Nicole Haas, Reporterin ohne Barrieren
Dass Philipp Kutter nur wenige Monate nach seinem schweren Skiunfall für eine erneute Wahl ins eidgenössische Parlament in den Wahlkampf zog, war eine Sensation. Mit überzeugender Kommunikation, sympathischem Auftreten, einem Leistungsausweis als langjähriger Stadtpräsident von Wädenswil und als Nationalrat, gelang es ihm im Oktober 2023, souverän wiedergewählt zu werden.
Mittlerweile hat der 48-jährige Kutter zwei Sessionen als Politiker mit Behinderung im Bundeshaus erlebt und ist auch als Stadtpräsident wieder zurück im Alltag. Es habe sich zu einem gewissen Grad eine neue Normalität etabliert, sagt er. Und doch:
Der Alltag halte weiterhin Überraschungen bereit, sei herausfordernd. Vor allem am Morgen zum Aufstehen und am Abend benötige er deutlich mehr Zeit als früher und erhalte dafür Hilfe von der Spitex. Auch das Reisen im öffentlichen Verkehr sei mit sehr viel mehr Zeitaufwand und Organisation verbunden.
Hier sieht sich der Präsident der Verkehrskommission des Nationalrates in der Pflicht, an einer Veränderung mitzuwirken: „Die Verbesserung der Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehr ist ein zentraler Aspekt, wenn es um Behindertenpolitik geht.“ Dazu beitragen könnte auch eine Revision des Behindertengleichstellungsgesetzes BehiG. Der vom Bundesrat vorgelegte Revisionsentwurf überzeugt ihn aber noch nicht: „Aus meiner Sicht ist der Entwurf mutlos.“ Er teilt damit die Einschätzung von Behindertenrechtsaktivist:innen und Behindertenorganisationen, welche den Entwurf ebenfalls als ungenügend und zu wenig tiefgreifend bewerten.
Philipp Kutter erhofft sich für die Zukunft Rückenwind von der Inklusionsinitiative. Diese will die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und das Recht auf Assistenz auf Verfassungsebene verankern. Neben einem besseren Schutz vor Diskriminierung könnte sie generell neuen Schwung in die nationale Behindertenpolitik bringen. Der Mitte-Politiker zeigt sich zuversichtlich, dass die 100‘000 Unterschriften bis zum Herbst gesammelt werden können. Und es blitzt eine ordentliche Portion Kampfeslust in ihm auf auf als er nachschiebt: „Auf die Debatte im Nationalrat freue ich mich jetzt schon.“
Der Vater von zwei Töchtern sieht sich in der privilegierten Situation eines gut vernetzten Parlamentariers, der auch privat Hilfeleistungen erhält, unter anderem von seiner Frau. Eine von der Invalidenversicherung bezahlte Assistenz im Berufsalltag erhält er nicht. Menschen, die aufgrund eines Unfalls behindert sind, sind von Assistenzleistungen der IV ausgeschlossen. Für Kutters berufliche Tätigkeit sind aber funktionierende Unterstützungssysteme zwingend.
An die Assistenzleistungen während den Sessionstagen leistet der Bund einen Beitrag. Die Assistenz für seine Tätigkeit als Stadtpräsident finanziert er hingegen selbst.
Philipp Kutter hat bereits kurz nach seinem Unfall offensiv und breit kommuniziert, wie es ihm geht. Drei Tage nach dem Unfall postete er das erste Mal aus dem Krankenbett eine Message auf Social Media. Es habe in seinem Fall viel Informationsbedarf gegeben, die Leute hätten wissen wollen, wie es ihm gehe und welche Auswirkungen der Unfall auf seine politische Tätigkeit habe. „Insbesondere die Menschen in Wädenswil hatten viele Fragen“, sagt Kutter. Diese Offenheit bereut er nicht: „In meinem Fall war das die richtige Entscheidung. Ich habe dadurch viel Zuspruch und Hilfsbereitschaft erfahren.“
Disclaimer:
Die Porträt-Reihe wurde im Auftrag der SODK im Hinblick auf die Nationalen Aktionstage Behindertenrechte in Zusammenarbeit mit Reporter:innen ohne Barrieren von Autor:innen mit Behinderungen verfasst.
Tina, lebt mit einer Sehbehinderung.
Die 36-jährige Tina Schai bringt Familie und Beruf unter einen Hut. Ihre Sehbehinderung habe bei der Familienplanung kein Hindernis dargestellt, sagt die zweifache Mutter.
Die 36-jährige Tina Schai bringt Familie und Beruf unter einen Hut. Ihre Sehbehinderung habe bei der Familienplanung kein Hindernis dargestellt, sagt die zweifache Mutter.
Autorin: Kim Pittet, Reporterin ohne Barrieren
Der Mittwoch ist einer der beiden Betreuungstage, welchen die Baslerin Tina Schai zukünftig mit ihren zwei Kindern verbringen wird, sobald die Mutterschaftszeit kommenden Juli zu Ende geht. Nebst alltäglichen Verrichtungen wie dem Wocheneinkauf bleibt dann genug Zeit für einen Besuch im Schwimmbad oder bei Freund:innen und Freunden. Mit dabei ist jeweils eine Assistenzperson. Sie unterstützt Schai in der Aufsicht der Kinder und hilft beispielsweise dabei, den Weg zum Zielort zu finden. Denn Schai lebt seit Geburt mit einer starken Sehbehinderung, dem sogenannten Peters Syndrom. Dieses bedingt, dass ihr Sichtfeld eingeschränkt ist und sie auf dem linken Auge einen Sehrest von zwei Prozent hat, auf dem rechten Auge sind es sieben Prozent.
Sie habe nie bezweifelt, dass sie die Aufgaben einer Mutter bewältigen kann, sagt Tina Schai. Ihre Behinderung sei bei der Familienplanung kein entscheidendes Thema gewesen. So hat sich Schai auch wenig informiert über die Herausforderungen von Müttern mit Sehbehinderungen. Denn irgendwie finde man immer einen Weg, meint sie und ergänzt: «Ich wusste, dass ich einen Partner habe, der mitträgt und der mich schon lange kennt. Dadurch wissen wir beide, wo wir uns gegenseitig ergänzen und unterstützen können.» Auch auf ein hilfsbereites Umfeld kann sie zählen.
Sobald es um die medizinischen Fragen ging, wurde Schai aber umgehend klar, dass Ärzt:inne auf die Schwangerschaft einer Frau mit Sehbehinderung oft nicht vorbereitet sind. So war lange ungewiss, ob aufgrund des zu hohen Augendrucks von Schai eine natürliche Geburt möglich sei und ob ihre Medikamente dem ungeborenen Kind schadeten könnten. Im letzten Drittel der ersten sowie während der gesamten zweiten Schwangerschaft und den Geburten begleitete eine Hebamme die werdenden Eltern. Das sei sehr wertvoll gewesen: «So hatte ich jemanden, der mir vollumfänglich zur Seite stand und wusste, was ich möchte und kann.» Schai wünscht sich, dass unter anderem gerade Themen wie Schwangerschaft und Geburt bei Menschen mit Behinderungen mehr in die Ausbildung von medizinischem Fachpersonal einfliessen würden. «Dass das Krankheitsbild von Menschen mit Behinderungen nicht isoliert, sondern in Bezug auf andere medizinische Kontexte angeschaut wird.»
Im Alltag helfen Schai eigene kreative Tricks, um die Aufgaben im Haushalt selbstständig zu bestreiten, denn nebst einer Putzhilfe hat sie nur am Mittwoch eine Assistenzperson zur Seite. So riecht Schai beispielsweise an den Kleidungsstücken ihrer Kinder, um zu prüfen, ob diese schmutzig sind. «Mir ist besonders wichtig, dass sie saubere Kleidung tragen, denn ich möchte keine Vorurteile bestätigen.» Diese Vorurteile gegenüber einer Mutter mit Behinderungen erlebe sie mehrheitlich unausgesprochen oder in Form von Fragen. So würden ihr beispielsweise die Fragen gestellt, wie sie denn ihr Kind auf dem Spielplatz beaufsichtigen oder ein Bilderbuch vorlesen könne. Schai geht jedoch davon aus, dass sie aufgrund ihrer guten Rahmenbedingungen weniger mit Vorurteilen konfrontiert sei als andere Mütter mit Behinderungen.
Sobald die Mutterschaftszeit zu Ende ist, wird sich Schai in einem Teilpensum wieder ihrer beruflichen Tätigkeit widmen. Sie ist Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung im Verein für Sozialpsychiatrie Baselland. Ihr Beruf sei ihr wichtig: «Ich will als Mensch mit all meinen Facetten gesehen werden. Ich bin nicht nur Mutter. Und auch nicht nur behindert, sondern ich bin auch eine Frau, berufstätig, sportlich etc.»
Die Rolle als Mutter könne aber sicherlich dazu beitragen, bestimmte Hürden abzubauen. «Die Mutterschaft fungiert als Brückenbauerin, indem ich beispielsweise auf dem Spielplatz mit anderen Eltern ins Gespräch komme», sagt Tina Schai. Sie könne sich auch vorstellen, dass später ihre Kinder von deren Freund:innen auf die Behinderung ihrer Mutter angesprochen werden können. Das mache ihr aber keine Angst, erklärt Schai. «Kinder haben immer viele Fragen – sei es zur Hautfarbe, Kleidung oder eben bei mir zur Behinderung. Ich mache mir darüber aber nicht mehr Sorgen als zum Beispiel über die zukünftige Mediennutzung unserer Kinder oder andere Herausforderungen, die das Leben an uns stellen wird.»
Disclaimer:
Die Porträt-Reihe wurde im Auftrag der SODK im Hinblick auf die Nationalen Aktionstage Behindertenrechte in Zusammenarbeit mit Reporter:innen ohne Barrieren von Autor:innen mit Behinderungen verfasst.
Malick, lebt mit einer neuromuskulären Erkrankung
Malick Reinhard ist ein engagierter Journalist. Für seine Passion muss er aufgrund der Behinderung zusätzliche Herausforderungen in Kauf nehmen.
Malick Reinhard ist ein engagierter Journalist. Für seine Passion muss er aufgrund der Behinderung zusätzliche Herausforderungen in Kauf nehmen.
Autorin: Kim Pittet, Reporterin ohne Barrieren
Als freischaffender Journalist arbeitet Malick Reinhard in diversen Redaktionen und Radio-Studios. Einige davon befinden sich in Gehdistanz, andere wiederum sind mit dem Zug erreichbar. Mit dem Auto ist er nur in seltenen Fällen unterwegs. Denn «so kann ich der SBB und der Gesellschaft zeigen, dass auch wir Menschen mit Behinderungen Teil der Nutzer:innen sind.» Er ist somit beruflich regelmässig auf die öffentlichen Verkehrsmittel und auf deren autonome Nutzung angewiesen. Das wiederum verdeutliche die Notwendigkeit der Barrierefreiheit. Dass es die SBB innerhalb von 20 Jahren nicht geschafft habe, die Rechte von Menschen mit Behinderungen umzusetzen, treibt Reinhard an. Der 25-jährige Rollstuhlfahrer hat sich in der Romandie mit Kritik an der SBB bereits einen Namen gemacht.
Das Reisen an unterschiedlichste Destinationen hat sich Malick Reinhard nicht ausgesucht. Denn der Lausanner wünscht sich eine unbefristete Anstellung bei einer Redaktion. Eine solche zu erhalten, sei aber eine seiner grössten Herausforderungen. Von insgesamt 307 verschickten Bewerbungen wurde er lediglich an drei Vorstellungsgespräche eingeladen. «Auf dem ersten Arbeitsmarkt habe ich fast keine Chance.» Er bewerbe sich nach wie vor auch auf Praktika, in der Hoffnung, diese als Sprungbrett nutzen zu können. «Ich möchte gleichberechtigt meine Arbeit als Journalist ausführen können. Da ich keinen Zugang zu Anstellungen erhalte, habe ich keine Wahl, worüber ich schreibe», erklärt er. Besonders würde er sich eine Arbeit in einer Redaktion wünschen, bei der er direkt im Büro mit Kolleg:innen zusammenarbeitet. Bei seinen sporadischen Einsätzen im Radiostudio geniesse er jeweils den Austausch von Ideen und Gedanken mit Teamkolleg:innen. «Das sind die Momente, in denen ich mich gleichberechtigt fühle», so Reinhard. Auch habe er dadurch die Möglichkeit zu zeigen, dass er professionell arbeiten und sich an Vorgaben halten könne. «Ich habe die gleichen Bedürfnisse wie alle anderen Journalist:innen. Der einzige Unterschied ist, dass ich sitzen muss.»
Vergleicht Reinhard seine berufliche Laufbahn mit derjenigen seiner ehemaligen Studienkolleg:innen, sieht er deutliche Unterschiede: «Sie haben alle mehrmals die Redaktion gewechselt oder teils erste Führungserfahrung gesammelt. Ich hingegen bin immer noch am gleichen Punkt», sagt Reinhard und weist auf eine der Ursachen hin: «Ich erhalte immer nur Aufträge, bei denen es um behinderungsspezifische Themen geht.» Würde er diese ablehnen, so bekäme das Thema keinen Platz in den frankophonen Medien – und er keine Aufträge mehr. Aber genau diese Reduktion auf die Behinderung stünde seiner Karriere im Weg: Denn solange er nur über ein Thema berichte, könne er sich nicht weiterentwickeln. «Und wieso sollte ich dann den Posten eines Chefredaktors erhalten, wenn ich nicht einmal unterschiedliche Ressorts kenne?», so Reinhard.
Manchmal fragt sich Malick Reinhard, wo ihn dies hinführen werde. Dabei verweist er darauf, dass dem Journalismus immer weniger finanzielle Mittel zur Verfügung stünden und dadurch auch immer weniger Menschen eine Festanstellung erhalten würden. «Ich bin quasi doppelt behindert», sagt er. Doch wieso sich dieser Herausforderung stellen, wenn es unzählige Jobs gibt, für die er einfacher eine Anstellung finden würde? «Ich habe das Bedürfnis, der Gesellschaft nützlich zu sein», erklärt Reinhard. Schon als Kind habe er sich für die Medienwelt interessiert und sich stundenlang in Recherchen vertiefen können. Und als er sich mit der Berufswahl beschäftigte, sei die Sinnhaftigkeit an oberster Stelle gestanden. «In einer Demokratie hat der Journalismus einen hohen Stellenwert. Wenn wir wählen und abstimmen, müssen wir informiert sein», so Reinhard, der sich selbst als Historiker der Gegenwart bezeichnet. Mit seiner Arbeit wolle er den Menschen helfen, die Realität zu verstehen. So beispielsweise auch bei der Berichterstattung rund um Behinderungen: «Mein Traum ist es, dass die Gesellschaft aufhört zu denken, dass wir «krank» sind oder dass unser Lebenszweck das Gehen ist. Denn viele Menschen denken so - die meisten - und oft ist es nicht korrekt.»
Reinhard sensibilisiert aber nicht nur nach aussen, sondern auch nach innen. So sei es ihm ein besonderes Anliegen, dass seine Berufskolleg:innen aufhören würden, Stereotypen in der Berichterstattung über Menschen mit Behinderungen zu reproduzieren. Die Pädagogik sei entscheidend, um Klischees abzubauen. So gebe er ihnen nach einem Artikel jeweils ein wohlwollendes Feedback und erkläre die Mechanismen hinter den Stereotypen. «Sprache prägt, wie Menschen wahrgenommen werden», so Reinhard. Diese Wahrnehmung könne sich nur verändern, wenn man beispielsweise nicht mehr lese, dass eine Person «an den Rollstuhl gefesselt» sei. Menschen mit Behinderungen weniger als leidende Kreaturen darzustellen, würde zu mehr Inklusion führen.
Disclaimer:
Die Porträt-Reihe wurde im Auftrag der SODK im Hinblick auf die Nationalen Aktionstage Behindertenrechte in Zusammenarbeit mit Reporter:innen ohne Barrieren von Autor:innen mit Behinderungen verfasst.
Islam, lebt mit Zerebralparese
Islam Alijaj hat sich in den letzten zehn Jahren einen Leistungsausweis erarbeitet, der aufhorchen lässt. Zuvor litt er jahrelang darunter, sein berufliches Potential nicht voll entwickeln zu können.
Islam Alijaj hat sich in den letzten zehn Jahren einen Leistungsausweis erarbeitet, der aufhorchen lässt. Zuvor litt er jahrelang darunter, sein berufliches Potential nicht voll entwickeln zu können.
Autorin: Nicole Haas, Reporterin ohne Barrieren
Von einem historischen Sieg war letzten Oktober die Rede, als der SP Politiker Islam Alijaj und zwei weitere Politiker im Rollstuhl in den Nationalrat gewählt wurden. Dieser Erfolg wurde dem in Zürich Albisrieden aufgewachsenen Secondo nicht in den Schoss gelegt, lange Zeit wurde er für seine Ambitionen belächelt.
Mit 16 beendet er die Sonderschule auf dem schulischen Niveau eines Sechstklässlers. Nicht viel hat damals gefehlt und er hätte einen geschützten Arbeitsplatz erhalten und wäre in ein Wohnheim gezogen, möglicherweise auf Lebzeiten. Dass man ihm aufgrund seiner Cerebralparese und der daraus folgenden Sprechbehinderung wenig zutraut, belastet ihn immer wieder. In seinem biografischen Manifest schreibt er:
Jahrelang kämpft Alijaj für eine Ausbildung, die seinen intellektuellen Fähigkeiten entspricht, macht zuerst eine EBA-Lehre als Kaufmann, holt später noch den EFZ-Abschluss nach. Und tingelt danach beruflich für eine kleine Behindertenorganisation von Anlass zu Anlass, engagiert sich für mehr Selbstbestimmung und lernt dabei, wie Behindertenorganisationen und Politik funktionieren. Vieles frustriert ihn: Die fehlende nationale Behindertenpolitik, die Finanzierung der Assistenz, die Hürden innerhalb der politischen Parteien. Und dass Behindertenorganisationen das Bild der hilflosen und bemitleidenswerten Behinderten zusätzlich zementieren. Irgendwann kommt der Moment, wo Alijaj mitreden will in der Politik: Er wird Mitglied der SP Stadt Zürich.
Wenn es um seine Ziele geht, rührt der heute 37-Jährige nicht mit der kleinen Kelle an: Schon als Jugendlicher ist er von Steve Jobs fasziniert. Er träumt davon, für Menschen mit Behinderungen dieselbe innovative Kraft zu entwickeln wie dieser. Alijaj will einen gesellschaftlichen Umbruch: Weg von der Defizitorientierung, hin zu mehr Unterstützung, damit Menschen mit Behinderungen ihre Fähigkeiten und Stärken leben können. Dass er selbst fähig ist, neue Wege zu gehen, hat er schon einige Male bewiesen. Er begründet 2019 den Verein Tatkraft mit und stösst damit unter anderem den Inklusions-Check für Gemeinden und die Inklusionsinitiative an. Im Februar 2022 gelingt ihm die Wahl in den Zürcher Gemeinderat, im Oktober 2023 zieht er ins nationale Parlament ein. Keiner dieser Meilensteine erreicht Islam Alijaj leicht, für alle muss er mit voller Kraft kämpfen.
Das neue Nationalratsmandat macht etwas mit dem Behindertenrechtsaktivisten: «Ich merke, dass ich anders wahrgenommen werde. Früher musste ich für alles Bittibätti machen», heute reiche es, seinen Namen zu nennen und Leute würden ihn treffen wollen. Es schmeichle ihm, irritiere ihn aber auch:
Disclaimer:
Die Porträt-Reihe wurde im Auftrag der SODK im Hinblick auf die Nationalen Aktionstage Behindertenrechte in Zusammenarbeit mit Reporter:innen ohne Barrieren von Autor:innen mit Behinderungen verfasst.
Anita, lebt mit einer Hörsehbehinderung
Verstehen und teilhaben können, ist für Anita Rothenbühler elementar. Ein Porträt über eine kreative und vielseitig interessierte Frau.
Verstehen und teilhaben können, ist für Anita Rothenbühler elementar. Ein Porträt über eine kreative und vielseitig interessierte Frau.
Autorin: Mirjam Münger, Reporterin ohne Barrieren
An wärmeren Tagen werkelt Anita Rothenbühler auf der Terasse an der frischen Luft an den etwa 40 Zentimeter grossen Steinskulpturen. Auch ist die 78-Jährige, die mit ihrem Ehemann im unteren luzernischen Wiggertal wohnt, in Inneren der vier Wände kreativ: Sie hat sich eine Rezept-Sammlung angelegt. Doch immer wieder probiert sie neue Gerichte, Desserts oder Gebäcke aus. Kommt die Enkeltochter zu Besuch, bastelt sie viel mit ihr.
Auf ihrem Computer oder Tablet liest Rothenbühler Berichte von Kulturreisen, Kunst, Medizin und Politik. Die beiden Geräte sind auf dunklen Hintergrund mit weisser Schriftfarbe und vergrösserter Schriftgrösse eingestellt, einer Einstellung, die das Lesen für Rothenbühler zugänglich macht. Mit den Hörgeräten hört sie gerne Musik.
Nebst den vielfältigen Tätigkeiten leitet Rothenbühler die Sitzungen und Aktivitäten der «Gemeinschaft der Fachlehrerinnen Lormen und Haptische Kommunikation – Schweiz». Zudem beschäftigt sie die Isolation, die viele Menschen mit einer Hörsehbehinderung oder Taubblindheit erleben.
Was es bedeutet, ausgeschlossen zu sein, weiss Rothenbühler allzu gut aus eigener Erfahrung. Als sie 40 Jahre alt war, konnte sie ihren geliebten Beruf als Chemielaborantin nicht mehr ausüben. Fehlende Hilfsmittel und mangelnde Unterstützung führten dazu, dass sie aus der Berufswelt ausgegrenzt und bei ihr eine Krise ausgelöst wurde. Sie fühlte sich auf das Usher Syndrom Typ 2 reduziert, das mit einer Schwerhörigkeit und fortschreitender Sehverschlechterung einhergeht. In den darauffolgenden Jahren verstärkte sich in Rothenbühler der Wunsch, als Mensch mit vielen Interessen wahrgenommen zu werden. Sie tritt auch heute für die Inklusion der Menschen mit einer Hör- und Sehbehinderung ein.
Denn auch «Menschen mit einer Hörsehbehinderung oder Taubblindheit gehören zur Gesellschaft und können an ihr selbstbestimmt und gleichberechtigt teilhaben», sagt Rothenbühler. Um der Isolation entgegenzuwirken, sei diese Menschengruppe auf angepasste Kommunikationsformen und -techniken, wie etwa das Lormen, das Alphabet zur Kommunikation von und mit taubblinden Menschen, angewiesen. Bei diesem werden einzelne Buchstaben oder Buchstabenkombinationen mittels Tippen oder Streichen auf der Handfläche fühlbar gemacht. Als eine der weiteren Kommunikationsformen gelten die haptischen Zeichen. Ein System von klar definierten Berührungszeichen, welche die sprechende Person auf neutralen Körpersonen wie der Hand, dem Unter- und Oberarm, der Schulter sowie der oberen Rückenpartie ausführt.
Rothenbühler nutzt das Lormen und die haptische Kommunikation als Ergänzung zum Hören mit den Hörgeräten in lärmiger Umgebung, oder wenn sie ein Wort, den Namen einer Person oder einer Ortschaft akustisch nicht verstanden hat.
Rothenbühler berichtet von ihrer Erfahrung, wenn sie bei Events von Menschen ohne Behinderungen teilnimmt: «In der Regel informiere ich gleich zu Beginn, dass ich eine Hörsehbehinderung habe. Das Umfeld bemüht sich, Rücksicht darauf zu nehmen. Aber schon nach fünf Minuten kann ich nicht mehr mithalten.» Damit Rothenbühler bei einer Veranstaltung von Anfang bis Schluss dabei sein kann, organisiert sie eine Kommunikations-Assistentin, eine Person, die für die Kommunikation und Begleitung von Menschen mit Hörsehbehinderung und Taubblindheit ausgebildet ist. «Sie ist mit mir zum Veranstaltungsort gereist, hat mich bei der Führung begleitet und mich unterstützt, wenn ich etwas nicht verstanden habe», erklärt Rothenbühler und betont, wie wichtig solche Assistenzpersonen für die Inklusion seien. Es gehe nämlich nicht darum, nur zu einem Anlass begleitet zu werden, sondern vor allem auch mit angepassten Kommunikationsformen und -techniken mitzubekommen, was sich um einen ereignet und mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen.
Disclaimer:
Die Porträt-Reihe wurde im Auftrag der SODK im Hinblick auf die Nationalen Aktionstage Behindertenrechte in Zusammenarbeit mit Reporter:innen ohne Barrieren von Autor:innen mit Behinderungen verfasst.
Oleg, lebt mit Zerebralparese
Oleg Aborniev gewann im letzten Jahr vier Medaillen im Para-Armwrestling. Der Ukrainer ist überzeugt, dass der Sport weit mehr ist als eine Massnahme zur körperlichen Gesundheit.
Oleg Aborniev gewann im letzten Jahr vier Medaillen im Para-Armwrestling. Der Ukrainer ist überzeugt, dass der Sport weit mehr ist als eine Massnahme zur körperlichen Gesundheit.
Autorin: Kim Pittet, Reporterin ohne Barrieren
Zweimal Gold an der Europameisterschaft in Moldawien, zweimal Silber an der Weltmeisterschaft in Kasachstan – Oleg Aborniev hatte im vergangenen Jahr entschieden, für die Schweiz anzutreten und holte gleich vier Medaillen im Para-Armwrestling. Diese Medaillen seien ein Dankeschön an die Schweiz, die ukrainische Flüchtlinge unterstützt, so Aborniev. Er lebt seit Geburt mit einer Zerebralparese, gehen ist für ihn nicht möglich. Dadurch habe er bereits früh auf den Aufbau anderer Muskeln gesetzt, erzählt er. «Irgendwann sagte ich mir: Warum nicht einfach mit Armwrestling beginnen?» So übt er sich seit dem Jahr 2010 in der Kraftsportart, mit Erfolg.
Zweimal die Woche trainiert Aborniev im Sportverein Cobra in Münchenbuchsee bei Bern. Das sei gut für seine körperliche Gesundheit, aber er möge auch den gesellschaftlichen Faktor. «Ich bin Teil des Trainings und so Teil einer Gruppe», sagt der Ukrainer, der vor rund zwei Jahren zusammen mit seiner Mutter aus der Heimat geflüchtet ist und in der Schweiz Anschluss suchte. Durch den Sport kam er rasch mit den hiesigen Menschen in Kontakt, das möge er besonders. «Der einzige Unterschied ist, dass beim Armdrücken die Menschen ohne Rollstuhl stehen und ich sitze, ansonsten gehöre ich genau gleich dazu», betont er. Denn während die Sportart für gewöhnlich stehend an einem Tisch ausgeübt wird, benutzen Rollstuhlfahrer:innen speziell konstruierte, unterfahrbare Tische. Der Sportverein hat eigens für Aborniev einen solchen gekauft. Dafür sei er dankbar: «Meine Trainingskollegen sind für mich gute Freunde geworden.»
Auf dem Weg zu seinen Trainings sowie an die internationalen Wettkämpfe wird Aborniev von seiner Mutter begleitet. Sie biete ihm die nötige Assistenz auf Reisen, auch wenn er versuche, möglichst unabhängig zu sein. Vor allem bei der Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel sei sein Unterstützungsbedarf hoch, obwohl die Schweiz viel barrierefreier sei als die Ukraine: «In der Ukraine wurde der ÖV Schritt für Schritt besser. Aber wegen des Kriegs – auch wenn der morgen enden würde – wird es viele neue Herausforderungen geben.» Aborniev erwähnt die Bombeneinschläge, die grossen Schaden angerichtet hätten. Es sei ein weiter Weg, bis die Barrierefreiheit mit dem Rollstuhl wieder gegeben sei. Die Schweiz bezeichnet er deshalb gerade in Bezug auf die Mobilität als ein fortschrittliches Land.
Aborniev sieht nicht nur Unterschiede bei den baulichen Barrieren, sondern auch bei den Barrieren in den Köpfen. Positiv aufgefallen sei ihm hier die Haltung der Menschen: «Die Menschen in der Schweiz haben ein grosses Problemverständnis. Und ein Bewusstsein, dass Menschen mit Behinderungen ganz normal sind, dass sie nicht vom Mars sind, sondern Teil der Gesellschaft.» Dies spiegle sich auch in den Menschen mit Behinderungen, denn die erlebe er allesamt als aktiv und engagiert.
Für diese Offenheit möchte Aborniev mit ehrenamtlicher Arbeit der Gesellschaft etwas zurückgeben. Der Sozialpädagoge, der in der Ukraine mit Waisenkindern arbeitete, leitet in Bern einen selbst einberufenen Kinder-Treff. Da bietet er Kindern mit und ohne Fluchthintergrund einen ungezwungenen Austausch an. Oft würden sie gemeinsam einen Film anschauen oder sich über verschiedene Themen, wie zum Beispiel die Freundschaft, unterhalten, so Oleg Aborniev. Aber auch physische oder mentale Aktivitäten hätten Platz: «Ich versuche, ihnen mein Wissen über Sport zu vermitteln und vorzuzeigen, wie die Geräte im Fitnessstudio benutzt werden.» Obwohl er dies unentgeltlich tue, würde er gerne Sponsoren für Projekte finden, mit Kindern arbeiten und einer bezahlten Arbeit nachgehen, um unabhängiger leben zu können.
Insbesondere für Menschen mit traumatisierenden Erlebnissen sei Sport gut, um sich stark und lebendig zu fühlen. Er weiss: «Sport trägt nicht nur zur körperlichen, sondern auch zur geistigen Gesundheit bei.» Aborniev findet es deshalb schade, dass der nicht-olympische Sport für Menschen mit Behinderungen vom Schweizer Staat nicht unterstützt wird.
Eine weitere Schwierigkeit sei, dass er für seine Leistungen im Armwrestling keine Entschädigung durch die Schweiz, die er vertritt, bekommt. «In der Ukraine habe ich jeweils Gehalt und Preisgelder einschliesslich Reise-, Unterkunfts- und Verpflegungskosten erhalten», erinnert er sich. Hier in der Schweiz müsse er etwa nebst Reisekosten für sich selbst und seine Mutter, auch sechs Trainingscamps bezahlen. «Dabei wäre es ein guter Ansatz, mehr Menschen – ob mit oder ohne Behinderungen – in den Sport zu integrieren. Denn so werden sie umgehend Teil der Gesellschaft», sagt Aborniev. Irgendwann, so hofft er, werde er dafür eine Lösung finden.
Disclaimer:
Die Porträt-Reihe wurde im Auftrag der SODK im Hinblick auf die Nationalen Aktionstage Behindertenrechte in Zusammenarbeit mit Reporter:innen ohne Barrieren von Autor:innen mit Behinderungen verfasst.
Seraina, lebt mit einer posttraumatischen Belastungsstörung
Seraina Huber arbeitet als Genesungsbegleiterin mit Menschen, die an einer psychischen Beeinträchtigung leiden. Hubers eigene psychische Krisen begannen in ihrer frühen Kindheit. Mit dreissig Jahren erhielt sie schliesslich die Diagnose: posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).
Seraina Huber arbeitet als Genesungsbegleiterin mit Menschen, die an einer psychischen Beeinträchtigung leiden. Hubers eigene psychische Krisen begannen in ihrer frühen Kindheit. Mit dreissig Jahren erhielt sie schliesslich die Diagnose: posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).
Autorin: Nathalie Anderegg, Reporterin ohne Barrieren
Eine PTBS entsteht durch ein Trauma in der Vergangenheit. Viele Betroffene können sich daran gar nicht oder nur verschwommen erinnern. Die Symptome einer PTBS sind vielfältig. Dies kann die Diagnostik erschweren. Seraina Hubers Symptome sind Panikattacken, Alpträume und Depressionen. Zudem erlebt sie Intrusionen, das sind Bruchstücke von Erinnerungen an die traumatischen Situationen, die in Alpträumen, aber auch mitten im Alltag auftauchen können. Auch hat sie Flashbacks, in denen sie Gefühle des Traumas wieder erlebt.
Es sei schwierig, mit einer unsichtbaren Beeinträchtigung wie PTBS zu leben, erklärt Huber, denn viele Menschen verstünden nicht, was mit ihr los sei: «Ich brauche vor allem Verständnis von den Mitmenschen. In der Arbeitswelt brauche ich Bestärkung statt Kritik und Druck sowie genügend Zeit zur Erholung.»
Musik ist Seraina Hubers wichtigste Ressource. Unter dem Künstlernamen SASA ist sie seit Jahren als DJ, Rapperin, Sängerin und Songwriterin in der Basler Musikszene vertreten. 2021 erfolgte die Veröffentlichung ihrer ersten EP CLIMB AGAIN, und zurzeit ist ein zweites Album in Arbeit.
Eigentlich sind Anlässe mit vielen Personen für Seraina Huber sehr belastend. Trotzdem tritt sie als Musikerin live vor Publikum auf. Dies war ein schwerer Weg, wie sie erzählt: «Aufgrund meiner Ängste hatte ich die Musik schon aufgegeben, meine Instrumente verkauft und meine Texte verbrannt. Doch es hat mich unglücklich gemacht, meine Leidenschaft nicht zu leben. Dieses Leiden war grösser als die Angst. So entschied ich, mich der Angst zu stellen.»
Mit unterstützender Psychotherapie, dem Erlernen von Atemübungen und mit Notfallmedikamenten in der Tasche wagte Seraina Huber sich wieder auf die Bühne. Sie freut sich: «Die Angst ist immer noch da, aber ich kann damit umgehen, und es wird mit jedem Auftritt besser.»
Seraina 'SASA' Huber macht ihre psychischen Krisen zum Thema und kämpft so gegen die Stigmatisierung von psychischen Beeinträchtigungen. In einem ihrer Texte rappt sie:
Disclaimer:
Die Porträt-Reihe wurde im Auftrag der SODK im Hinblick auf die Nationalen Aktionstage Behindertenrechte in Zusammenarbeit mit Reporter:innen ohne Barrieren von Autor:innen mit Behinderungen verfasst.
Michel, lebt mit einer bionischen Handprothese
Michel Fornasier ist Superheld von Beruf. Dahinter steckt ein Mann, der ohne rechte Hand geboren wurde. Er verlässt sich auf menschliche Muskelkraft, mit der er seine Prothese steuert.
Michel Fornasier ist Superheld von Beruf. Dahinter steckt ein Mann, der ohne rechte Hand geboren wurde. Er verlässt sich auf menschliche Muskelkraft, mit der er seine Prothese steuert. Mit Umhang und mit durchsichtiger rechter Hand mischt ein etwas spezieller Superheld im Comicgeschäft mit: Der Bionicman. Seine Geburtsstunde liegt wenige Jahre zurück
Autorin: Kim Pittet, Reporterin ohne Barrieren
Damals stellte der Mann hinter der Figur – Michel Fornasier – fest, dass er immer wieder von Kindern auf seine Prothese angesprochen wird. Denn im Gegensatz zu einer herkömmlichen, hautfarbenen Prothese ist Fornasiers künstliche Hand beweglich und durchsichtig. Sie gibt Einblick auf sechs Motoren, die ihm die Beweglichkeit in den Fingern ermöglichen. Durch Elektroden am Arm, die die Muskelkontraktionen messen, kann Fornasier die Befehle auslösen. Es handelt sich dabei um eine bionische Prothese. Die Kinder hätten ihn deshalb immer gefragt, ob seine Hand Superkräfte besitze. „Das habe ich anfangs verneint, bis ich merkte, dass sie Freude an der Vorstellung einer künstlichen Hand mit Superkraft finden“, erinnert er sich. So entstanden die Comicfiguren Bionicman sowie sein weibliches Pendant Bionica. Diese sollen jedoch nicht die Behinderung ins Zentrum stellen, sondern für die Vielfalt der Menschen sensibilisieren, denn "eine vermeintliche Schwäche kann zur Stärke werden," sagt Fornasier. Egal, ob grosse Ohren oder eine extrabreite Zahnlücke – alles könne, aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, zur Besonderheit werden.
Doch wer ist Michel Fornasier, wenn der Superheld Feierabend hat? „Dann bin ich ein ganz normaler Mensch.“ Ein Mensch, der gewaltfreie Comics schreibt, eine Selbsthilfegruppe für körperlich behinderte Mitmenschen leitet und sich für die Mobbingprävention stark macht. Jemand also, der seine Behinderung annimmt. Das sei aber nicht immer so gewesen, erzählt Fornasier. Vor allem als Teenager habe er versucht, seine fehlende Hand zu verstecken. Denkt er an sein erstes Date zurück, muss er schmunzeln: „Ich habe mir eine Gips-Hand gebastelt und erzählt, dass ich beim Skateboarden gestürzt sei.“ Doch irgendwann war der Gips nicht mehr glaubhaft, die Wahrheit musste her. „Das Mädchen sagte mir, dass sie mich genauso möge, wie ich sei. Egal, ob mit drei Augen oder eben nur einer Hand.“ Dieser Umgang mit seiner Behinderung sei für ihn wichtig gewesen, sagt Fornasier, vor allem als vorpubertierender Teenager, der seinen Platz in der Welt suchte.
n dieser Zeit machte Fornasier selbst erste Diskriminierungserfahrungen. Der leidenschaftliche Basketballspieler wollte beispielsweise an einem Camp teilnehmen. Er wurde jedoch gar nicht erst zur Aufnahmeprüfung zugelassen. „Der Leiter des Camps sah meinen Armstumpf und sagte, dass ich nicht mitmachen kann, weil man nicht bei den Paralympics sei“, erzählt der 1.85 Meter grosse Mann. Er konnte also nicht ins Basketballcamp gehen, weil er keine Möglichkeit bekommen hatte, sein Talent zu zeigen. „Das war eine starke und sehr schmerzhafte Erfahrung.“
Scham und Ausgrenzung waren für Michel Fornasier in der Kindheit noch weit entfernt. Obwohl er das Leben mit nur einer Hand seit Geburt kannte, hatte diese ihm zu Beginn nie gefehlt. Er sei spielerisch damit umgegangen, sagt der Freiburger. So erinnert er sich beispielsweise an die „Wintermützen“, die seine Grossmutter strickte, um den Stumpf warm zu halten. Oder an die lachenden Gesichter, die er und seine Schulkolleg:innen auf seinen Arm malten. Lediglich ein „Horrorerlebnis“ aus seiner Kindheit habe sich in seine Erinnerungen negativ eingebrannt: Der Besuch beim Orthopädietechniker für die erste Prothese. Der damals Siebenjährige war schockiert von den hautfarbenen Händen und Beinen, die überall herumlagen. „Das sah aus wie in einem Horrorfilm.“
Von da an begleitete ihn die Prothese durch seinen Alltag, auch wenn er diese nicht rund um die Uhr trägt. Das hänge von seiner Tätigkeit ab, erklärt Fornasier. So gebe ihm die Prothese beim Velofahren mehr Sicherheit, für das Schuhe binden sei sie ihm aber ein Hindernis. „Weil ich das schon vorher lange ohne Prothese gemacht habe – das mache ich mit links», witzelt er. Für ihn sei die Prothese nicht Teil seines Körpers, sondern lediglich ein Hilfsmittel. Denn sie decke „nur“ circa 15 Prozent der Funktionen einer menschlichen Hand ab. Um beispielsweise einen Ball werfen zu können, benötige es ungefähr ein halbes Jahr Training.
Momentan trägt Michel Fornasier eine bionische Prothese. „Ihre Ästhetik war für mich entscheidend“, sagt er und betont die futuristische Optik der rund drei Kilo schweren Hand. Sie habe seinen Horizont erweitert, da sie ihm viel mehr Möglichkeiten biete. So kann er beispielsweise im Haushalt mit der einen Hand das Bügeleisen führen und mit der anderen Hand den Umhang von Bionicman zurechtlegen. Auch ist es ihm möglich, jeden einzelnen Finger zu bewegen. Via Smartphone kann Fornasier zudem spezifische Griffe programmieren. Spannt er etwa die beiden Unterarmmuskeln Flexor und Extensor an, kann er sich ein Popcorn greifen. Es sei aber stets ein Learning by doing, erklärt der 46-Jährige, denn jede Bewegung müsse bewusst ausgeführt werden.
„Selbstbestimmt“, so fühle er sich mit diesem Hilfsmittel. „Ich habe mit meinem Schicksal Frieden geschlossen und verstecke meine körperliche Beeinträchtigung nicht mehr.“
Dass er seine Behinderung dadurch annehmen konnte, spürt er auch in seinem Umfeld: „Ich erlebe häufig, dass ich gleichwertig behandelt werde und mir die Menschen hilfsbereit begegnen.“ Fornasier wünscht sich dennoch, dass irgendwann gar nicht mehr über Inklusion gesprochen werden müsse und Berührungsängste abgebaut seien:
Seine Wünsche an eine Prothese der Zukunft sind bescheiden. „Es wäre schön, wenn die Handprothesen etwas leichter und schneller in der Ausführung der Bewegungen sind.“ So, dass der Superheld künftig seine Missionen noch schneller erledigen kann.
Disclaimer:
Die Porträt-Reihe wurde im Auftrag der SODK im Hinblick auf die Nationalen Aktionstage Behindertenrechte in Zusammenarbeit mit Reporter:innen ohne Barrieren von Autor:innen mit Behinderungen verfasst.
Brigitte, lebt mit einer Sehbehinderung
Ab und zu auch ohne zu sehen etwas Neues ausprobieren und zwischen Bewegung und Oasen der Entspannung wechseln. Ein Einblick in Brigitte Bächtolds Alltag.
Ab und zu auch ohne zu sehen etwas Neues ausprobieren und zwischen Bewegung und Oasen der Entspannung wechseln. Ein Einblick in Brigitte Bächtolds Alltag.
Autorin: Mirjam Münger, Reporterin ohne Barrieren
Krimis und historische Romane zählen zu den liebsten Buchgenres von Brigitte Bächtold. «Manchmal darf es auch ein Psychothriller sein, aber ohne allzu blutrünstige Szenen», fügt sie hinzu. Diese Bücher lese sie in Brailleschrift. «Wenn ich abends von der Arbeit nach Hause komme, setze ich mich oft hin und lese.»
Die gross gewachsene, 59-jährige Frau, die in der Stadt Zürich wohnt, spaziert und wandert auch gerne. Stets dabei ist ihr Blindenführhund Kaito. Einmal wöchentlich schwingt sie zusammen mit ihrem Tanzpartner das Tanzbein.
Die bewegungsfreudige Lehrerin unterrichtet Brailleschrift beim Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband SBV. Bächtold unterstützt Erwachsene, die mit einer Erblindung rechnen müssen, und die Braille lesen lernen wollen.
Bächtold setzt sich im Alltag dafür ein, nicht auf ihr Blindsein reduziert zu werden. Einmal habe sie beim Einkaufen in einem Geschäft gehört, wie eine Verkaufsmitarbeiterin zu einer anderen gesagt hat: «Die Blinde ist da!» Daraufhin habe sie die Chefin der betreffenden Filiale angerufen und darauf hingewiesen, dass sie nicht so bezeichnet werden möchte. Denn dass sie nichts sehe, sei nur ein Teil ihres Lebens. «Ich brauche vielleicht Unterstützung, und ich falle auf mit meinem Hund», erläutert Bächtold.
Für Bächtold bedeutet Selbstbestimmung, dass sie sowohl Ja als auch Nein sagen darf und dass dies respektiert wird. So werde sie etwa am Bahnhof regelmässig gefragt, ob sie Hilfe brauche. Lehne sie diese freundlich dankend ab, weil sie gerade auf jemanden warte oder etwas alleine machen wolle, reagierten manche irritiert oder gar beleidigt.
«Es könnte ja sein, dass ich froh wäre über das Angebot», sagt Bächtold. Aber sie findet es genauso wichtig, dass ihr Nein einfach akzeptiert werde.
Sie bringt ein Beispiel: An einem Kanu-Wochenende, das vom Blindenbund organisiert wurde, habe sie entdeckt, wie viel Freude ihr das Kanufahren bereite. Daraufhin habe sie einen Kanu-Klub in Zürich kontaktiert. Da habe sie zuerst begründen müssen, warum sie Kanu fahren möchte ohne etwas zu sehen.
Die Reaktion der Tanzschule hingegen hat Bächtold gefreut. Als sie sich dort gemeldet und informiert habe, dass sie nichts sehe, habe die Lehrerin sie gefragt: «Wieso sagst du das überhaupt?» Inzwischen lebt sie ihre Freude am Tanzen bereits seit über drei Jahren aus.
Disclaimer:
Die Porträt-Reihe wurde im Auftrag der SODK im Hinblick auf die Nationalen Aktionstage Behindertenrechte in Zusammenarbeit mit Reporter:innen ohne Barrieren von Autor:innen mit Behinderungen verfasst.
Sarah, lebt mit Autismus
Sarah Egli, Baslerin, 37 Jahre, ist gelernte Fachkraft Betreuung für Menschen mit Beeinträchtigungen. Heute ist sie vor allem Künstlerin. Als Poetin hält sie Lesungen in der ganzen Schweiz.
Sarah Egli, Baslerin, 37 Jahre, ist gelernte Fachkraft Betreuung für Menschen mit Beeinträchtigungen. Heute ist sie vor allem Künstlerin. Als Poetin hält sie Lesungen in der ganzen Schweiz.
Autorin: Nathalie Anderegg, Reporterin ohne Barrieren
Bereits in früher Kindheit begannen ihre Schwierigkeiten, weshalb sie in psychotherapeutische Behandlung kam.
«Auf meiner jahrelangen Odyssee durch die Psychiatrie sammelte ich zunächst einen ganzen Strauss an Diagnosen, bis ich dann vor zwei Jahren die Diagnose Autismus bekam.», meint Egli.
Bis vor kurzem seien Frauen viel seltener als Männer als Autist:innen erkannt worden, erklärt Sarah Egli. Dies habe sich in der Zwischenzeit geändert. Sie sei froh darüber, endlich die Diagnose zu haben, die ihre Schwierigkeiten mit sich selbst und im Kontakt mit der Umwelt erklärt.
Die Hauptschwierigkeit, die der Autismus ihr bereitet, beschreibt Sarah Egli als die Abwesenheit von Filtern. Licht, Geräusche, Gerüche, alles prassle intensiv auf sie ein:
Ihre Welt ist die Literatur. Mit zwölf Jahren schrieb sie ihre ersten Gedichte. Seit 2017 veröffentlicht sie ihre Gedichte bei ProLyrica, dem Online-Portal der Schweizerischen Lyrischen Gesellschaft. Zur Zeit schreibt sie für das Kulturprojekt EDITION UNIK ihr nächstes Buch mit autobiographischen Prosatexten und Gedichten.
Laut Sarah Egli erleben Autist:innen im Zusammensein mit anderen Menschen viele Missverständnisse:
«Wir Autist:innen brauchen eine glasklare, direkte Kommunikation, weil wir alles wörtlich nehmen und nicht zwischen den Zeilen lesen können.»
Besonders schwierig sind für Egli stundenlange Ansammlungen grosser Menschenmengen auf engem Raum. Trotzdem geht sie an Konzerte und ist sogar aktives Mitglied der SP. Sie handhabe das so:
«Ich habe gelernt, mir Auszeiten zu nehmen. Wenn ich an ein Konzert oder eine politische Versammlung gehe, brauche ich am Tag zuvor und danach völlige Ruhe und Alleinsein.»
In einer für Sarah Egli idealen Welt gäbe es beispielsweise an Arbeitsorten einen reizarmen Ruheraum, eine Art Schneckenhaus ohne grelles Licht und ohne Bildschirme, Handys, Geräusche, Umhergehen oder Gespräche.
Bei Terminen mit Behörden sei für sie die Möglichkeit eines digitalen Austausches enorm hilfreich. Von den Organisationen, die die Interessen von Autist:innen vertreten, wünscht sie sich, dass direkt Betroffene in die Leitung aufgenommen werden. Und wie viele Menschen mit Beeinträchtigungen wünscht sich Sarah Egli:
Disclaimer:
Die Porträt-Reihe wurde im Auftrag der SODK im Hinblick auf die Nationalen Aktionstage Behindertenrechte in Zusammenarbeit mit Reporter:innen ohne Barrieren von Autor:innen mit Behinderungen verfasst.
Daniel, lebt mit einer nicht sichtbaren Behinderung
Daniel Knöpfel wohnt in Thun, bloggt für insieme Schweiz und engagiert sich politisch. Auch ist der 51-Jährige im Unihockey und Fussball aktiv oder auf Langlaufskis anzutreffen.
Daniel Knöpfel wohnt in Thun, bloggt für insieme Schweiz und engagiert sich politisch. Auch ist der 51-Jährige im Unihockey und Fussball aktiv oder auf Langlaufskis anzutreffen.
Autorin: Mirjam Münger, Reporterin ohne Barrieren
Auf die Frage, wie er seine Behinderung bezeichnet, antwortet Knöpfel:
Er legt eine Pause ein und überlegt, ob er sie erwähnen soll. Nicht, dass er damit ein Problem hat. Dann erklärt er: «Oft möchten die Menschen wissen, was für eine Behinderung eine Person hat.» Knöpfel findet es wichtig, dass alle Menschen respektiert und akzeptiert werden, so wie sie sind. Und dieser Respekt beinhalte, dass alle hinschauten, was die Person mit Behinderung für die erfolgreiche Teilhabe brauche.
Knöpfel macht in Interviews auf die Anliegen der Menschen mit kognitiven Behinderungen aufmerksam. Kürzlich beteiligte er sich an der Video-Kampagne #ichwähle der insieme Schweiz, um damit die Bevölkerung für die politische Partizipation von Schweizer Bürger:innen mit kognitiven Behinderungen zu sensibilisieren.
Mit seinem Engagement will Knöpfel der Öffentlichkeit zeigen, dass Menschen mit Behinderungen auf allen Ebenen dabei sein und mitreden wollen. Er hofft, dass Vereine, Kommissionen und andere Gruppen mehr Menschen mit Behinderungen in ihre Planungs-, Strategie- und Umsetzungsprozesse einbeziehen. Denn «wir bringen eine andere Sichtweise ein», und diese könne auch für Menschen ohne Behinderungen ein Gewinn sein.
Dazu führt Knöpfel die Abstimmungen als Beispiel an: «Die Abstimmungsunterlagen sind kompliziert.» Es würde auch anderen helfen, wenn sie in Leichter Sprache formuliert sind. Vielleicht würden sogar mehr Menschen abstimmen gehen.
«Menschen ohne Behinderungen haben mehr Möglichkeiten, etwas zu unternehmen, wenn sie in einer unsicheren Situation sind, wie zum Beispiel bei der Arbeit», sagt Knöpfel. «Sie können leichter einen Kurs besuchen oder eine neue Arbeit suchen. Für jemanden mit einer Behinderung ist das schwieriger.»
Knöpfel war 23 Jahre als Koch in einer Küche und Bäckerei tätig. Weil es in der Küche viele personelle Wechsel gegeben hat, hat er sich nach langem Überlegen wie viele seiner Kolleg:innen entschieden, doch auch eine andere Stelle zu suchen. Im Sommer 2023 konnte er in einer Kerzenwerkstatt und Schreinerei einsteigen. Seitdem arbeitet er an zwei Tagen in der Backstube, an einem in der Kerzenwerkstatt und an den restlichen in der Schreinerei.
Disclaimer:
Die Porträt-Reihe wurde im Auftrag der SODK im Hinblick auf die Nationalen Aktionstage Behindertenrechte in Zusammenarbeit mit Reporter:innen ohne Barrieren von Autor:innen mit Behinderungen verfasst.
Heydar, lebt mit Paraplegie
Heydar Dorzadeh ist anerkannter politischer Flüchtling und lebt in Basel. Als junger Erwachsener nahm Dorzadeh an Demonstrationen gegen das iranische Regime teil. Dabei erlitt er nebst tiefen Fleischwunden eine schwere Verletzung der Wirbelsäule, die ihn zum Paraplegiker machte.
Heydar Dorzadeh ist anerkannter politischer Flüchtling und lebt in Basel. Geboren wurde er 1966 im Iran, im Landesteil Belutschistan. Die Belutschen werden vom iranischen Staat unterdrückt und verfolgt. Als junger Erwachsener nahm Dorzadeh an Demonstrationen gegen das iranische Regime teil. Dabei erlitt er nebst tiefen Fleischwunden eine schwere Verletzung der Wirbelsäule, die ihn zum Paraplegiker machte.
Autorin: Nathalie Anderegg, Reporterin ohne Barrieren
Von Pakistan aus ersuchte Dorzadeh beim UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge um politisches Asyl, was ihm 1990 gewährt wurde. Er wurde in der Schweiz aufgenommen und daraufhin im Paraplegikerzentrum in Basel viele Male operiert. Zwei Jahre lang musste Dorzadeh dort auf dem Bauch liegend verbringen, um die offenen Wunden an seinem Rücken ausheilen zu lassen.
Anschliessend bemühte er sich um eine Ausbildung, die ihm aber verweigert wurde. Das tut ihm heute noch sehr weh:
Doch das Leben ging weiter. Finanziell unterstützt von der IV, arbeitete Dorzadeh zwölf Jahre lang als Freiwilliger bei der Beratungsstelle für Asylbewerber:innen in Basel. Seit Jahren ist er auch politisch aktiv. Er betreibt einen Blog gegen das iranische Regime und für die Menschenrechte im Iran, insbesondere für die Rechte der Belutschen. Zudem ist er Mitglied einer belutschischen Exilpartei und reist zu deren Demonstrationen in ganz Europa und war einmal sogar in New York.
Aus seiner Lebensgeschichte weiss er:
«Die Situation von Geflüchteten mit Behinderungen ist sehr schwierig. Beratungsstellen für Geflüchtete wissen über Behinderungen nicht Bescheid, und Beratungsstellen für Behinderte wissen nichts über das Asylverfahren. Niemand kann uns kompetent beraten.»
Für die Teilhabe an der Gesellschaft und seine Selbstbestimmung als Paraplegiker ist für Dorzadeh die Barrierefreiheit im öffentlichen Raum am wichtigsten. Und er hebt hervor:
Dorzadeh spricht aus Erfahrung. Vor ein paar Jahren blieb er mit dem Rollstuhl an einem nicht barrierefreien Trottoir-Rand hängen. Der Rollstuhl blockierte, und er stürzte auf die Strasse. Dabei erlitt er einen komplizierten Bruch des Schienbeins.
Die psychische Gesundheit von Menschen mit Behinderungen ist für Dorzadeh ein wichtiges Thema:
«Vielen Menschen mit Behinderungen wie meiner geht es mit fortschreitendem Alter psychisch sehr schlecht. Sie vereinsamen und werden depressiv.» Er selbst habe zum Glück eine innere Kraft, er wisse gar nicht, woher, mit der er irgendwie weitermachen könne, ohne zu verzweifeln, sagt der 57-Jährige.
Disclaimer:
Die Porträt-Reihe wurde im Auftrag der SODK im Hinblick auf die Nationalen Aktionstage Behindertenrechte in Zusammenarbeit mit Reporter:innen ohne Barrieren von Autor:innen mit Behinderungen verfasst.
Für andere da sein
Ari Lee ist intergeschlechtlich, studiert Theologie und leitet Gottesdienste in der Bieler Pasquart-Kirche, die sich oft mit queeren Themen auseinandersetzt.
Ari Lee ist intergeschlechtlich, studiert Theologie und leitet Gottesdienste in der Bieler Pasquart-Kirche, die sich oft mit queeren Themen auseinandersetzt. »Beerdigungen mache ich lieber als Hochzeiten«, sagt der Trans-Mann zum Fotografen Michael Waser. In schwierigen Momenten Trost zu spenden oder zuzuhören sei ihm wichtig. Ari Lee hilft gerne anderen Menschen, als Jugendlicher wollte er deshalb Polizist werden.
Disclaimer:
Erschienen in: DIE ZEIT - 20. Oktober 2022 Nr. 43 Schweiz-Ausgabe (Print)
Die Kuh-Kuschlerin
Severine Schürch, 47, therapiert in Reinach autistische Kinder und gestresste Manager mit dem vierjährigen Rind Mocca.
Severine Schürch, 47, therapiert in Reinach autistische Kinder und gestresste Manager mit dem vierjährigen Rind Mocca. Schürch war bei dessen Geburt dabei: »Ich versuchte ihm Wärme zu geben und es mit meiner Atmung zu beruhigen.« Mocca überlebte und Schürch entschied, sich in tiergestützter Arbeit ausbilden zu lassen. »Es hielten mich alle für komplett verrückt, dass ich dafür ein Kalb kaufe«, sagte sie dem Fotografen Michael Waser.
Disclaimer:
Erschienen in: DIE ZEIT - 8. September 2022 Nr. 37 Schweiz-Ausgabe (Print)